Lager sind aufregend, sowohl für die Kinder und Jugendlichen
als auch für die begleitenden Erwachsenen.
Da heisst es, gelassen zu bleiben.

27.05.2025
Teilintegrationsklassen
Spielen, spielen und nochmals spielen
«Muss ich im Lager Salat essen?»
«Was, da hoch fahren wir mit einer Bahn?» Ungläubig zeigt das Mädchen auf die steil in die Höhe ragende Schienenschlange. Es ist kaum zu glauben, dass die Standseilbahn uns Kinder und Lehrpersonen tatsächlich auf den Stoos ziehen kann. Langsam bewegen sich die vier Rollen kurz darauf aus dem Bahnhofsgebäude und fahren ruhig auf die steile Felswand zu. Das TIK-Lager könnte nicht spektakulärer beginnen. Die Aufregung ist gross, der Herzschlag erhöht.
In ein Lager zu fahren, gehört wohl zu den aufregendsten Erfahrungen, die Kinder in ihrer Schulzeit erleben. Im TIK-Lager auf dem Stoos gibt es aber durchaus Situationen, in denen sich die Schülerinnen und Schüler ganz gelassen zeigen. Im Mai haben die TIK-Klassen aus Winterthur, Leimbach und Wollishofen ihr schon fast traditionelles Lager in der Sennhütte auf dem Stoos verbracht. 24 Kinder und ihre Lehrpersonen sind diesmal dabei und zum ersten Mal sogar eine Köchin. Nach einem Schneelager auf der Melchsee-Frutt und einem Kurzlager im Zürcher Oberland geht es zum ersten Mal in die Schwyzer Berge, und zwar unter dem Motto «Spielen, spielen, spielen». Unglaublich, wie viele Fragen bei den einen im Vorfeld auftauchten: Mit wem bin ich im Zimmer? Wann müssen wir aufstehen? Muss ich Salat essen? Auch bei den Lehrpersonen kreisten die Gedanken im Vorfeld, allerdings in andere Richtungen. Wie wird das Wetter? Was ist wohl das beste Gegenmittel bei Heimweh? Wie werden unsere Erstklässler dieses Lager erfahren? Der Jüngste im TIK-Bunde blieb derweil im Vorfeld völlig gelassen. Noch dreimal schlafen und dann fahren wir? Nicht mal mit der Wimper zuckte er bei dieser Bemerkung. «Kein Problem für mich», meint er.
Ihre Gelassenheit beeindruckt
Nachdem uns die Stoosbahn wohlbehalten auf dem Stoos wieder ausgespuckt hat, beziehen wir in der Sennhütte unsere Zimmer. Alle Kinder sollen ihren Koffer auspacken und dessen Inhalt in die Regale versorgen. Bevor ich das Zimmer der Mädchen betrete, mache ich mich auf ein Durcheinander von Taschenlampen, Hörgerätebatterien und Schlafsackhüllen gefasst. Aber nichts dergleichen empfängt mich. Die drei liegen auf ihren Betten und erklären mir mit kompletter Gelassenheit ihre Zimmerorganisation: «Hier haben wir eine kleine Bibliothek eingerichtet, hier befindet sich unsere Schminkbar, und sowieso sind unsere Kleider schon lange versorgt.» Beeindruckt verabschiede ich mich und mache die Zimmertüre hinter mir zu.
Neue Spiele kennenlernen
Im Verlauf der Woche stellen die Kinder eigene Spiele her, lernen ihnen unbekannte Spiele kennen, finden mit Kooperationsspielen einen gestohlenen Pokal wieder. Auch eine Wanderung in der Gegend des Fronalpstocks steht auf dem Programm. Der steile Abstieg hinunter nach Stoos verlangt den meisten Kindern einiges ab, und der Hunger nach der Anstrengung ist bei allen deshalb gross. Inmitten der aufgekratzten Stimmung beim Abendessen – Besteck klappert, Stimmen erheben sich, Teller werden lautstark ausgekratzt – sitzt ein Junge komplett zufrieden da, isst seine Spagetti und lächelt mich an. Für mich in diesem Moment der Inbegriff von Ruhe und Gelassenheit nach einem ereignisreichen Tag.
Heimweh (auf)gelöst
Das Einschlafen am Abend ist für viele Kinder im Lager nicht ganz einfach. Für einige ist es das erste Mal ohne Mama und Papa. Ein Mädchen liegt mit geballten Fäusten auf dem Bauch, sein ganzer Körper verkrampft wie ein Brett, und es weint lange vor sich hin. Ich setze mich auf einen Stuhl neben das Mädchen und bleibe so bei ihm. Langsam öffnen sich die Fäuste, der Körper gibt sich endlich dem Schlaf hin. Davor sagt das Mädchen wieder in ihrer gewohn­ten Gelassenheit: «Du kannst jetzt gehen, mir geht es wieder gut.»
«Nachtruhe im Lager? Da drücken wir manchmal ein Auge zu.»

Jeannette MeierKlassenlehrperson TIK Zürich