Aufstehen, gähnen und loslegen
Donnerstagmorgen: Alen ist früh auf den Beinen. Gewöhnlich steht er in der Wohngruppe Momo um zehn vor sieben auf, denn zum Morgenessen will er pünktlich sein. Heute hat er neben seinem Schul-Rucksack auch seine Reisetasche bereitgestellt. Er wird morgen nicht zu Schule kommen, weil ein Arzttermin ansteht. Alen ist ein grossgewachsener junger Mann von knapp achtzehn Jahren, mit einem zarten Flaum oberhalb der Lippen. Wache Augen, Kapuzenpullover, bequeme Hosen, Sneakers. Ein Teenager wie andere, könnte man meinen. Doch wer genau hinsieht, bemerkt, was anders ist. Alen trägt Hörgeräte und Cochlear-Implantate, und das schon lange. Im Jahr 2015 kam Alen mit seiner Familie in die Schweiz, und ein paar Wochen später trat er in das Zentrum für Gehör und Sprache ein. Seine Eltern und seine Schwester sind hörend; vielleicht ist das der Grund, weshalb Alen nicht gerne gebärdet – obwohl seine Mutter sich in Gebärdensprache mit ihrem Sohn unterhält. Alens Lautsprache versteht man gut. Zu Hause wird kroatisch gesprochen; damals musste der Junge erst die deutsche Sprache lernen. Herausforderungen ist er sich gewohnt, das sieht man ihm an, wenn man ihm in seinem Alltag begegnet. Während der Woche übernachtet Alen zweimal auf der Wohngruppe, weil sein Zuhause ausserhalb des Kantons liegt.
Viele Freunde und eine Lehrerin, die er gut mag
Auf dem Weg durch die Gänge im Haus Richtung Schulzimmer wird er von anderen Schülerinnen und Schülern freundschaftlich angerempelt. Dort ein Handschlag, da ein Schulterklopfen, ein sanfter Puff mit der Faust auf den Arm, und nun auch Gebärden mit einem anderen Schüler. Er kann es gut, und er gebärdet wie selbstverständlich. Alen hat viele Freunde hier: Riduan, Leonis, Jerwin, Fabio, Aslah, um nur einige zu nennen. Wer wie Alen so viele Jahre zeitweise hier gewohnt hat und hier zur Schule gegangen ist, nistet sich so ein, dass es ihm wohl ist. Mit seinen Freunden plaudert Alen gerne in seiner freien Zeit oder er spaziert mit ihnen ins Stadtzentrum. Oder sie gamen. Weltgeschichte interessiert ihn und Fussball. Schon sehen wir ihn in der ersten Lektion der Klasse 15plus sitzen, die er im zweiten Jahr besucht mit weiteren drei Schülerinnen und einem Schüler. Alen hilft gerne anderen, das ist ihm gegeben. Und er mag seine Lehrerin. Er hat verraten, dass er sie vermissen wird, wenn er Ende des Schuljahres austreten wird. Auch seine vielen Freunde hier lässt er nicht gerne zurück, und alle in der Wohngruppe ebenso. Heute wird in der Schule gebacken; die 15plus nimmt mit ihrer Schülerfirma Aufträge für Backwaren entgegen, für drei Kuchen sind Bestellungen eingegangen. Alen sucht im Ordner nach dem Rezept für den Rüeblikuchen. Danach wird der Vorrat gecheckt – alles da? Welche Produkte fehlen? Eine Gruppenarbeit. Ein Teamwork. Später gehen sie mit dem Einkaufszettel selbständig einkaufen. Nach der Schule diskutieren die Jungs auf der Wohngruppe leidenschaftlich über die letzten Fussball-Matchs der Europameisterschaft. Auf einem Plakat an der Wand notieren sie die neuesten Ergebnisse und fachsimpeln über die Spieler.
Gemeinsam gewachsen und viel fürs Leben gelernt
Alen will von seiner Bezugsperson alles wissen, was im nächsten Schuljahr läuft. Ist er sich bewusst, dass er dann in seiner zweijährigen PRA-Ausbildung im Gastrobereich stecken wird? Nach den Lektionen am Nachmittag wird Alen seine Tasche nehmen und sich selbständig per Bus und Zug auf den Heimweg machen. Bald wird sich vieles für ihn ändern, doch eines wird ihm bleiben: Die Erinnerungen an die vergangenen Jahre im ZGSZ, in denen er mit Freun­den gemeinsam unterwegs war.