Kinder können sich (auch) spielerisch entwickeln
Kinder mit Hörbeeinträchtigung sollen sich in allen Bereichen gut entwickeln können. Dafür braucht es mehr, als sie mit Hörhilfen zu versorgen. Ein Augenschein in der Frühförderung vor Ort.
11.06.2025
Kinder können sich (auch) spielerisch entwickeln
Kinder mit Hörbeeinträchtigung sollen sich in allen Bereichen gut entwickeln können. Dafür braucht es mehr, als sie mit Hörhilfen zu versorgen. Ein Augenschein in der Frühförderung vor Ort.
Väter und Mütter mit Kinderwagen bahnen sich den Weg zur KITA Murmelihuus in Thalwil. Kurz vor acht Uhr sind schon einige Kinder eingetroffen. 15 werden es heute sein. Darunter ist Olivia, ein zweieinhalbjähriges Mädchen, das seit Geburt beidseitig leichtgradig schwerhörig ist und Hörgeräte trägt. Die KITA-Leiterin Céline Steinacher nimmt die Kleinen in Empfang, weitere drei Mitarbeiterinnen kümmern sich um die Kinder. Bis vor ein paar Monaten hat Sandra Schwaller Olivia und ihre Eltern zu Hause besucht und begleitet. Jetzt, da beide Elternteile wieder berufstätig sind und ihr Kind nun jeden Tag die KITA besucht, kommt die Audiopädagogin jeden Donnerstag für eine Stunde in die Betreuungsstätte.
Situationsgerecht ansetzen
Die KITA Murmelihuus richtet ihre pädagogische Arbeit nach dem «situationsorientierten Ansatz». Wie versteht sich dies im Umgang mit einem hörbeeinträchtigten Kind? Céline Steinacher sagt dazu: «Olivia ist für ihr Alter ein sehr selbständiges Kind und passt sich seiner Umgebung an. Gehen wir in den Wald, richtet sich Olivia nach unseren Waldregeln.» Die Betreuungspersonen haben laut der KITA-Leiterin nur im Freien ein besonderes Auge auf Olivia. Sie winken sie heran oder halten sich in ihrer Nähe auf. «Auch sonst agieren und reagieren wir situationsgerecht; das unterscheidet sich bei Olivia nicht von den anderen Kindern», sagt Céline Steinacher.
Bis zum Morgenritual zieht sich Sandra Schwaller mit Olivia in einen separaten Raum zurück, wo die Audiopädagogin das Kind durch das Ausprobieren, Erleben und Begreifen spielerisch und altersgerecht fördert. Damit werden die sprachliche und kognitive Entwicklung sowie die sozial-emotionalen Kompetenzen angeregt und unterstützt. Olivia ist an allem interessiert. Das Stofftier Nili versorgt sie beidseitig gleich mit zwei Hörgeräten und ist neugierig, was sich alles in der Tasche voller Spielsachen und Fotomappen verbirgt.
Alle sind (fast) gleich
Bei den anderen Kindern ist Olivia beliebt und voll integriert. So natürlich, wie Kinder sich begegnen, so selbstverständlich ist sie trotz ihrer Hörbeeinträchtigung in der Gruppe aufgenommen. «Die Kinder bemerken jedoch, wenn Olivia ihre Hörgeräte nicht trägt», sagt Céline Steinacher. «’Sie hört mich nicht’, melden sie mir dann.» Mit den grösseren Kindern habe sie das Nicht-gut-hören von Olivia besprochen und ihnen erklärt, was anders sei.
So ruhig wie an diesem Morgen ist es nicht immer. Auf die Frage, wie sie mit lauten oder hektischen Situationen umgehe, antwortet Céline Steinacher: «Ich bin geduldig und habe gute Nerven. Wird es mal laut und unruhig, teilen wir uns in der Betreuung der Kinder auf.»
Olivia findet inzwischen Gefallen im Spiel mit dem Stoffpferd und wird selbst immer wieder aus dem Sattel geworfen. Die Fantasie ist geweckt. Sandra Schwaller gibt die Impulse weiter und sich selbst mit ins Spiel. Sie beobachtet dabei Olivia und ist beeindruckt, welche Fortschritte sie zwischenzeitlich erreicht hat. «Nicht nur in der Sprache hat sie sich enorm entwickelt». Auch ganzheitlich sei die Entwicklung gut sichtbar. «Dass Olivia seit etwa einem halben Jahr wöchentlich eine Logopädie-Lektion besucht, ist zusätzlich wertvoll und unterstützend.»
Balance und Ruhe: wertvolle Wegbegleiter
Wenn nicht alles nach Plan läuft: Was gibt Sandra Schwaller Gelassenheit? «Ich verfüge über eine gewisse Balance und Ruhe», sagt sie. «Durch meine Freude am Arbeiten kann ich mit Präsenz und Gespür auf Situationen zugehen und je nach Lage frühzeitig abfedern».
Zum Morgenritual kommt Olivia heute etwas später hinzu.
Kein Problem: Die Kinder rücken zur Seite, damit sich Olivia hinzusetzen kann. Dann warten sie geduldig, bis das nächste Lied angestimmt wird.
Sandra SchwallerAudiopädagogin
Céline SteinacherLeiterin Kita Murmelihuus, Thalwil