Pierre Huber arbeitet seit zwei Jahren als Audiopädagoge beim Zentrum für Gehör und Sprache. Dabei unterstützt und fördert er seine Schülerinnen und Schüler und begleitet sie in ihrer Ausbildung an einer Regelschule. Ein Interview über einen gemeinsamen (Schul-)Weg.

18.09.2024
Audiopädagogischer Dienst Integration
Grosse Ziele gelingen im gemeinsamen Bestreben
Pierre Huber und der 15-jährige Kevin sitzen an einem Tisch im Klassenzimmer der Sekundarschule Wiesendangen. Heute steht Französisch auf dem Stundenplan, weil sich Kevin auf seine Prüfung vorbereiten möchte. Jede Woche hat er jeweils eine Lektion mit dem Audiopädagogen. Im Prinzip kann er selbst entscheiden, wo er Unterstützung braucht; wobei Pierre Huber immer im Austausch mit der Klassenlehrperson steht. Im Unterricht setzt der ehemalige Primarlehrer eine FM-Anlage ein, damit Kevin ihn mit seinem Hörgerät besser verstehen kann. Dieser ist einseitig hörbeeinträchtigt, die FM-Anlage hilft ihm, das Gesagte besser zu verstehen. Gleichzeitig werden Nebengeräusche ausgeblendet. Das helfe den Betroffenen enorm, sagt Pierre Huber. Er selbst habe eine Hörbeeinträchtigung und wisse, wie ein Hörgerät die Lebensqualität verbessern könne.
Das Interview
Herr Huber, wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen? Als ich nach einem Umzug auf der Suche nach einer näher gelegenen Stelle war, wurde ich auf eine offene Stelle beim Audiopädagogischen Dienst aufmerksam gemacht. Auch wenn ich bis dahin gerne als Klassenlehrperson gearbeitet habe, wollte ich diese Gelegenheit nutzen, um eine neue Tätigkeit innerhalb der Volksschule auszuprobieren.
Was macht ein Audiopädagoge genau? Er begleitet, unterstützt und fördert Schülerinnen und Schüler mit einer Hörbeeinträchtigung in der Regelklasse und arbeitet interdisziplinär mit schulischen und externen Fachpersonen sowie mit den Eltern zusammen.
Was schätzen Sie besonders an Ihrem Beruf? Ich schätze die fachliche Fokussierung auf die audiopädagogische Förderung – auf medizinische, aber auch auf technische Themen. Der Berufsalltag ist sehr vielfältig. Die heilpädagogische Arbeit erfordert eine grosse Portion Empathie, aber auch das stete Bewusstsein für die gemeinsam vereinbarten Lernziele.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Kindern und Jugendlichen mit Hörbeeinträchtigung? Es ist eine spannende Herausforderung, da wir über mehrere Jahre mit den gleichen Schülerinnen und Schülern arbeiten und so Ziele langfristig verfolgen können. Dies bewirkt Konstanz. Diese mehrjährige Lehr-Lern-Beziehung stärkt auch das Vertrauen.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen? Die ist sehr individuell und erfordert ein hohes Mass an Engagement und Flexibilität von allen Seiten.
Was bedeutet Integration von Kindern und Jugendlichen mit Hörbeeinträchtigung in der Regelschule? Sie ermöglicht eine wohnortnahe Beschulung und ist eine Bereicherung im Begegnungsraum Schule.
Wie gelingt eine Integration am besten? Mit einer wohlwollenden Haltung allen Schülerinnen und Schülern gegenüber und mit dem Bewusstsein für die individuellen Bedürfnisse. Dazu braucht es wenige, aber entscheidende technische Hilfsmittel oder Anpassungen der Einrichtung sowie personelle Ressourcen.
Welchen Herausforderungen begegnen Sie in Ihrem Berufsalltag? Ich bin in regelmässigem Kontakt mit zehn Schülerinnen und Schülern in acht Schulhäusern, mit ihren Eltern und mit vielen Klassenlehrpersonen und Heilpädagogen, Logopädinnen, Schulleitern und Schulpsychologinnen: Da gibt es einiges zu koordinieren.
Blicken wir auf die Regelschulen: Was machen diese bereits gut? Dass die Integration in der jetzigen Form möglich wurde, war eine kantonale Leistung. Dass die Umsetzung dieser Vorgabe machbar wurde, ist eine Leistung der einzelnen Regelschulen. Die Bedingungen sind nicht immer dieselben. Dafür gibt es Unterstützung, die beigezogen werden kann; wie zum Beispiel den Audiopädagogischen Dienst bei auditiven Herausforderungen. Der Wille zur entscheidenden Zusammenarbeit unter Lehr- und Fachpersonen hat sich in den letzten zwanzig Jahren grundlegend verändert – im positiven Sinne.
Was bedeutet für Sie der Begriff «gemeinsam»? Ich bin gerne fleissig und arbeite auf etwas hin. Aber gerade im Bildungsbereich ist die Zusammenarbeit aller Beteiligten entscheidend. Grosse Ziele wird man nur im gemeinsamen Bestreben erreichen können.
Und wann sind Sie gerne mal für sich? Die Abwechslung von gemeinsamem und solitärem Tun gefällt mir sehr. Nach dem Unterrichten oder nach Besprechungen geniesse ich Momente für mich allein, sei es beim Sport oder Musizieren.
Was würden Sie nur in der Gruppe unternehmen? Ich lache zwar gerne und liebe es zu singen. Aber wie könnte ich allein meine Freu­de teilen oder eine Oper aufführen? Deshalb mache ich dies am liebsten mit und unter Leuten – denn zusammen kann ganz viel Neues entstehen.
«Die Schule ist ein bewegtes Feld. Solange diese Bewegung lebendig bleibt, kann Integration gelingen.»

Pierre HuberAudiopädagoge